Überlebenskampf mit allen (Putz)Mitteln
Veröffentlicht am Donnerstag, 22. Oktober 2015
In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat das Anhaltische Theater Dessau zahlreiche Künstler kommen und gehen sehen. Zwei Konstanten jedoch gibt es: Martha und Lore. Die heimlichen Diven hinter den Kulissen kümmern sich gefühlt seit Menschengedenken darum, dass das Theatererlebnis ungetrübt bleibt.
Martha und Lore, die guten Seelen des Hauses, sind Putzfrauen, kennen das Theater wie keine Zweite und sorgen stets für bestens gepflegte Bühnen- und Zuschauerräume. Doch wird es ihnen gedankt? Angesichts des ständig über dem Theater schwebenden Damoklesschwertes der Geldknappheit darf daran ernsthaft gezweifelt werden. Auch Martha und Lore tun dies inzwischen – und wagen nun den Schritt an die Öffentlichkeit. Getarnt als Theaterstück und unter dem, natürlich ebenfalls bewusst theatralischen, Titel „Minettis Blut“ laden sie alle Unterstützer am 11. November um 20 Uhr zu einem Informationsabend im Foyer des Anhaltischen Theaters ein.
„LEO investigativ“ fühlte den Putz-Primadonnen vorab auf den Zahn, biss bei mancher Frage aber auch auf Granit.
Das Theater muss sparen, Ihre Stelle ist in Gefahr. Wie soll es weitergehen?
Lore: (lacht) MEINE Stelle?... Die ist nicht in Gefahr. Vielleicht als einzige.… wir wollen’s nicht hoffen, aber auch ein leeres Haus muss sauber gehalten werden.
Martha: Wie es weitergehen soll? Ich sage ihnen, wie es weitergeht. Ich werde als erstes dieses Interview beenden und dann marschiere ich direkt zum Intendanten und mache ihm klar, dass er mit mir eine der besten Putzkräfte verliert, die diese Welt je gesehen hat! Wer bin ich denn? Mir wurden andernorts ganze Stücke gewidmet!!!
Es gibt wohl niemanden am Theater, der über so viel Erfahrung verfügt wie Sie. Warum wird das erst jetzt mit einem eigenen Stück gewürdigt?
Martha: Also, warum hier noch keines inszeniert wurde, kann ich ihnen nicht sagen – da müssen sie schon Lore fragen, die arbeitet länger hier. Aber über mich hat ja Schlingensief mal ein Stück gemacht; „Via Inflatulanza“... oder so. Habs zwar nicht so ganz verstanden, aber Mühe hat er sich ja gegeben, der Christoph...
Lore: Da fragen Sie die Falsche.… ich schreibe schließlich keine Stücke. Im Gegenteil: Ich beseitige die Spuren, die Stücke auf der Bühne hinterlassen.
Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Ihrer Kollegin beschreiben?
Martha: Also ohne mich wäre die Lore ja vollkommen aufgeschmissen... ja man muss eben halt doch manchmal hinter ihr herputzen, aber sie gibt sich ja Mühe. Das rechne ich ihr hoch an. Und wenn man über ihre Allüren mal hinwegsieht, dann ist sie doch eine recht possierliche Putzkollegin.
Lore: Martha verfügt über gute Ansätze…. sehr innovativ und so…. aber sie ist noch sehr jung und wird lernen müssen, dass das Fahrrad schon andere vor ihr erfunden haben.
Was war das schlimmste Schlachtfeld, das Sie in Ihrer Karriere beräumen mussten?
Lore: Wenn Politiker auf der Bühne sprechen wird es kritisch... z. B.: als Herr Dogerloh vor der Belegschaft seinen Sparkurs erläuterte, wurde im Publikum sehr oft verächtlich auf den Boden gespuckt.… das war ‘ne Riesen-Sauerei.
Martha: Oh mein Gott, das ist mir doch tatsächlich hier passiert! Kaum war ich hier ein paar Tage angestellt, da musste ich auch schon die Sauerei von den Schauspielerheinis wegschrubben. Überall blaue Farbe und komische Blütenblätter, die sie anscheinend mit sonst welchen Körperteilen an die Baumkulissen gepinselt haben. Mein Gott war das ein Saustall. Zum Glück hab ich mir das nie angeschaut, sonst wäre ich wahrscheinlich mitten in der Vorstellung ausgerastet...
Es gibt gewisse Gerüchte, dass Sie mit dem neuen Intendanten nicht unbedingt zufrieden sind. Was ist da dran?
Lore: Nur Gerüchte!! ….aber ich habe da so ne Ahnung, wer die in die Welt gesetzt hat.… nicht wahr, Martha?
Lore: Ach Quatsch, da will mir einer was unterschieben... Ich hab nie etwas dergleichen formuliert! So, letzte Frage bitte!