Ein Filmfestival für Wörlitz
Veröffentlicht am Dienstag, 26. Juli 2016
Beim Spazieren durch den Wörlitzer Park kann es schnell passieren, dass der Alltag in weite Ferne rückt. Die Anlagen nach englischem Vorbild versetzen den Besucher zurück in die Zeit der Aufklärung und es würde wohl kaum für Verwunderung sorgen, wenn ihm plötzlich fein gewandete Edelleute über den Weg liefen. Der Wörlitzer Park bildet daher den perfekten Rahmen für ein Festival, das vom 27. August bis 2. September Premiere feiert: die "Wörlitzer Filmtage".
Das Weltkulturerbe Dessau-Wörlitzer Gartenreich steht wie wohl kein zweiter Ort in Deutschland für die Zeit der Aufklärung und für eine Epoche, in der sich die Menschen der Errungenschaften der Vergangenheit bewusst wurden und einen Wissensdurst entwickelten, der Bildung, Architektur und Gesellschaft bis heute geprägt hat. Der Wörlitzer Park, als Herzstück des Gartenreichs und als erster Landschaftsgarten nach englischem Vorbild auf dem europäischen Festland, vereint Bauwerke nach antiken Vorbildern mit dem Gründungsbau des Klassizismus in Deutschland. Nie trennte ein Zaun Stadt und Park, "Vater Franz" ließ seine Untertanen stets an dem teilhaben, was ihm selbst bei seinen Reisen nach Italien, Frankreich oder England den Atem raubte. Bildung, Aufklärung und Entspannung treffen hier in einzigartiger Weise aufeinander. Ein ganz besonderer Ort, der nun auf der Insel Stein ein ebenso besonderes Festival erhalten soll.
Das Amphitheater auf der Insel Stein hat in seiner über 200-jährigen Geschichte ganz sicher schon einiges erlebt. Nach der Sanierung der künstlichen Vulkaninsel wurde es aus seinem Dornröschenschlaf geweckt, in den letzten Jahren hat es sich zum beliebten Aufführungsort für sommerliche Theaterinszenierungen etabliert. Und auch als Freiluftkino hat es sich schon bewiesen: mit der Aufführung des Pompeji-Konzertfilms von "Pink Floyd" im Jahr 2012, in Kooperation des Dessauer Kiez-Kino mit den Hausherren der Kulturstiftung DessauWörlitz und begleitend zur Ausstellung "Fremde Welt ganz nah – Pompeji und Herculaneum im Gartenreich". "Schon damals entstand die Idee und der Wunsch nach einer Fortsetzung des Kinoabends. Mit den Wörlitzer Filmtagen wollen wir nun einen besonderen Akzent setzen", so Thomas Ohrmann vom Kiez-Kino.
Erneut war es nun die Jahresausstellung der Kulturstiftung, die aus den Gedankenspielen Realität werden lässt und in deren Mittelpunkt Emma Lady Hamilton steht. Eben jene Lady Hamilton, deren Gatten die gleichnamige Villa auf der Insel Stein gewidmet ist. Die durch ihre "Attitüden", die Verkörperung historischer Figuren, zu einer der faszinierendsten Persönlichkeiten ihrer Zeit wurde, aber auch zu einer der umstrittensten. Und die gleichzeitig in einer bewegten Zeit Teil der Weltpolitik war.
Uwe Quilitzsch von der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, als langjähriger "Emma-Fan" auch Initiator der Ausstellung, freut sich daher ebenfalls auf die Premiere: "Filmkünstlerische Bezüge zu diesem Thema gibt es in Fülle und Filmtage auf der Insel sind innovativ. Auch zukünftige Themen können leicht mit Kino begleitet werden. Und nicht zuletzt hat uns die Begeisterung des LEO- und des Kiez-Kino-Teams für die Wörlitzer Filmtage überzeugt, diese nun stattfinden zu lassen." Und Thomas Ohrmann ergänzt schmunzelnd: "Man kann sagen, dass Lady Hamilton bei der Planung der Filmtage so etwas wie unsere inoffizielle Schirmherrin geworden ist."
Dass der ehrwürdige Park und das historische Ambiente keine Kulisse für Sci-Fi-Kracher und Actionfeuerwerke sein werden, versteht sich natürlich. Stattdessen wird der Schwerpunkt auf Historienfilmen liegen, die zum Teil selbst schon ein Stück Filmgeschichte sind, bei denen aber auch Spaß, Spannung, Drama und – wie könnte es mit Emma als Ideengeberin anders sein – Erotik nicht zu kurz kommen. "Wir wollen Parkbesucher aus Nah und Fern genauso ansprechen wie Kinofans und Alle, die besondere Filme in einer einmaligen Kulisse erleben wollen.", erklärt Thomas Ohrmann. Die Insel Stein ist auch nach Ansicht von Uwe Quilitzsch geradezu prädestiniert dafür: "Gibt es einen anspruchsvolleren Aufführungsort für Kino im Gartenreich? Das dem noch nicht ausgegrabenen Theater von Herculaneum nachgebildete Wörlitzer Theater ist ein idealer Ort. Freilichtkino am Fuße der Wörlitzer Vesuvs – ein Superlativ, kaum zu überbieten. Und auch die logistischen Rahmenbedingungen stimmen." Zudem sei das historische Filmprogramm letztendlich auch eine zeitgemäße Fortsetzung der "Attitüden" Emmas, betont Quilitzsch.
Vom 27. August bis 2. September wird täglich zur Blauen Stunde ein anderer Film gezeigt. Im Schatten des Vesuv treffen Besucher auf edle Recken und hochgeborene Damen, vom Kostümdrama bis zum Mantel-und-Degen-Film. Daran hätte ganz sicher auch Lady Hamilton ihre Freude gehabt. Und höchstwahrscheinlich, so Uwe Quilitzsch, sogar der historische Hausherr: "Wir glauben, dem Dessauer Fürsten hätte Kino in Wörlitz auch gefallen. Also dann: Film ab!"