! Verschoben! Ein Hauch von Weltstadt
Veröffentlicht am Samstag, 24. Oktober 2020
Aufgrund der bundesweiten Schließung aller Kultureinrichtungen im Monat November muss die Veranstaltung erneut verschoben werden. Ein neuer Termin ist bisher noch nicht bekannt.
Originalmeldung:
Der internationale Einfluss des Bauhauses dürfte spätestens seit dem großen Jubiläum im vergangenen Jahr jedem bewusst sein. Überraschend ist aber selbst für Kundige nach wie vor, wie sehr die Schule für Gestaltung schon zu ihrer Zeit auch bei jungen Talenten aus aller Welt gefragt war – und wie viele von ihnen ihre Erfahrungen, Eindrücke und Kenntnisse anschließend in ihrer Heimat zur Blüte brachten. Die in Dessau aufgewachsene Filmemacherin Anne Berrini erzählt in ihrem Dokumentarfilm „Vom Bauhaus nach Argentinien“ die Geschichte einer Liebe, die reale und künstlerische Grenzen überwindet und die am Bauhaus ihren Anfang nahm.
2015 widmete das „Museum of Modern Art (MoMA)“, eines der bedeutendsten Kunstmuseen der Welt, dem deutsch-argentinischen Künstlerehepaar Grete Stern und Horacio Coppola eine Einzelausstellung. Ein mehr als deutlicher Beleg für die Bedeutung der beiden Bauhausschüler, deren Wirken in Europa bisher aber nur Eingeweihten bekannt ist. Mit ihrem aktuellsten Werk, das mit inhaltlicher, organisatorischer und auch finanzieller Unterstützung der Stiftung Bauhaus Dessau entstand, will Filmemacherin Anne Berrini das ändern. Die Ursprünge von „Vom Bauhaus nach Argentinien“ liegen sehr viel weiter zurück als die New Yorker Ausstellung, die Entstehungsgeschichte des Films ist zudem auch eine sehr persönliche. Im Rahmen der Filmvorführung auf der Offenen Bühne im Bauhaus Museum Dessau wird die Regisseurin am 18. November im Gespräch mit Burghard Duhm und dem Publikum darüber berichten. LEO war aber schon jetzt neugierig.
Wie sind Sie auf Grete Stern und Horacio Coppola aufmerksam geworden, die in ihrer Wahlheimat zu Pionieren der modernen Fotografie wurden? Anne Berrini: Ende der 1990er war ich zum ersten Mal mit einem Filmteam in Argentinien. Da ich mich damals auch in meinen späteren Mann verliebte, blieb es nicht bei dieser einen Reise. Als ich auf die Idee kam, einen Film über das Bauhaus zu schreiben, nahm ich mir im Archiv die Liste der Bauhausstudenten von 1919 bis 1933 vor. Ich war auf der Suche nach interessanten Lebensgeschichten und war damals überrascht, dass die Studenten aus allen Teilen der Erde ans Bauhaus kamen. Natürlich schaute ich sofort, ob Argentinien in der Liste auftauchte. So stieß ich auf Horacio Coppola, der übrigens der einzige Argentinier am Bauhaus war.
Wie bedeutend war der Einfluss insbesondere Grete Sterns, die ihr Schaffen unter anderem auch den indigenen Völkern Südamerikas widmete, auf die Kunstszene Argentiniens und darüber hinaus?
Anne Berrini: Als sie mit Horacio 1935 nach Argentinien ging und dort ihre erste Fotoausstellung organisierte, traf sie auf ein offenes mit der europäischen Avantgarde vertrautes Publikum. Die jungen Künstler liehen sich Bauhausbücher bei ihr aus. Das Haus von Grete und Horacio wurde am Wochenende zum Pilgerort. Und doch brauchte es Jahrzehnte bis die moderne Fotografie als Kunstform auch Anerkennung in Argentinien fand. Gretes Einfluss als Künstlerin ging eher unkonventionelle Wege. Sie hinterließ kluge und kritische Fotomontagen in einer wöchentlichen Frauenzeitschrift oder porträtierte für ein Hochschulprojekt mit unvoreingenommenem Blick die Ureinwohner Argentiniens. Richtig bekannt wurde Grete Stern jedoch erst am Ende ihrer Karriere und postum.
Bereits 2005 waren Sie mit Förderung der Kunststiftung Sachsen-Anhalt auf Recherchereise in Argentinien. Wie kam es dazu, dass der Film erst jetzt vollendet werden konnte? Und wie hat er sich seit der ersten Idee vor 15 Jahren verändert?
Anne Berrini: Aus dem Film sollte nie ein Dokumentarfilm werden. All die Interviews, die ich auf meiner Recherchereise in Argentinien aufnahm, dienten mir als Arbeitsmaterial. Angeregt von den Lebenswegen der beiden Fotografen wollte ich damals eine Spielfilmgeschichte über das Bauhaus entwickeln. Doch 2005 war es noch eindeutig zu früh für diese Idee. Der Film wurde nie realisiert. Als sich letztes Jahr die Bauhaus-Spielfilme auf ZDF und ARD „die Klinke in die Hand gaben“, war es mittlerweile eindeutig zu spät für meine Geschichte in der Schublade. Aber da war noch all das Interviewmaterial von meiner Recherchereise. Zeitzeugen und Freunde, die teilweise schon verstorben waren. Also entschloss ich mich, die Geschichte von Grete Stern und Horacio Coppola in Form eines Dokumentarfilms zu erzählen. Da ich aus Kostengründen fast alles alleine an dem Film gemacht habe, ist es am Ende sogar ein sehr persönlicher und unkonventioneller Film geworden. Grete Stern hätte sich gefreut.
Apropos persönlich: Welche Rolle hat das Bauhaus für Sie in der Kindheit und Jugend gespielt? Und ändert der Blick von außen, auch der Ihrer internationalen Interviewpartner, die eigene Perspektive?
Anne Berrini: Als Kind war das Bauhaus zunächst nichts weiter als eine Turnhalle für mich. Als 8-Jährige ging ich jeden Dienstag zum Judotraining dorthin. Danach stand ich als Straßenkind in einem Brechtstück auf der Theaterbühne des Bauhauses. Als Jugendliche engagierte ich mich dann im Bauhausjugendclub und beschäftigte mich zum ersten Mal mit der Geschichte des Hauses. Das Bauhaus war nie ein Mythos für mich, aber seine Geschichte und sein Einfluss, den man weltweit entdecken kann, haben mich fasziniert. Es verleiht auf so unbeschreibliche Weise meiner Heimatstadt Dessau einen Hauch von Weltstadt und macht sie kosmopolitischer.