Hochwasser statt Bauhaus und ein bislang unentdecktes Atomlager
Veröffentlicht am Donnerstag, 10. Dezember 2015
„Kennt die Welt Bitterfeld?“ Einem Umfrageergebnis der Wirtschaftsförderungs- gesellschaft zufolge, lässt das Image der Stadt Bitterfeld zu wünschen übrig und auch die Region Anhalt mit Dessau und Wittenberg können nur begrenzt überzeugen. Insgesamt wurden 1.000 westdeutsche Unternehmen telefonisch zu Wort gebeten und kannten zwar die ein oder andere anhaltische Stadt dem Namen nach, doch gingen ihre Vorstellungen über die einzelnen Ortschaften weit auseinander.
Im Rahmen eines Pressefrühstücks lud Harald Wetzel, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Anhalt-Bitterfeld/ Dessau/ Wittenberg mbH, am 9. Dezember in seine Geschäftsräume ein. Dort stellte er die Ergebnisse einer aktuellen Wirtschaftsumfrage unter dem Titel „Kennt die Welt Bitterfeld?“ vor.
Bei der Unternehmensbefragung handelte es sich um ein vom sachsen-anhaltischen Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr gefördertes Projekt, welches in Form einer telefonischen Befragung im Herbst diesen Jahres durchgeführt wurde. Insgesamt wurden 1.000 Unternehmen mit 50 bis 500 Beschäftigten in den alten Bundesländern, aus den Bereichen Pharmazie, Chemie, Lebensmittelproduktion und Metall zu Bekanntheitsgrad und Image der Städte Dessau, Bitterfeld, Wittenberg und der Region Anhalt befragt. Ziel dieser Abfrage war es die Investitionsbereitschaft einzelner Firmen und Betriebe zur Festigung der regionalen Akquisitionsstrategien und zur Vorbereitung eines gezielten Standortmarketings zu untersuchen.
Die Ergebnisse dieser Umfrage überraschten. Mehr als 70 Prozent der Befragten gaben an, die Städte Bitterfeld, Dessau, Wittenberg sowie die Region Anhalt zwar zu kennen, doch konnte nur knapp ein Drittel die jeweiligen Städte dem richtigen Bundesland zuordnen. Auf die Frage, welche Assoziationen die einzelnen Umfrageteilnehmer mit den jeweiligen Orten verbinden, gaben fast die Hälfte für den Raum Bitterfeld Chemiewerke, Umweltverschmutzung sowie die Metallindustrie an. Überraschenderweise hielten einzelne Befragte Bitterfeld für den Standort eines Atomlagers. Dessau wurde mit knapp 20 Prozent mit dem Hochwasser von 2002 und 2013 in Verbindung gebracht. Nur knapp 8 Prozent kannten die Muldestadt als Bauhaus-Standort. Hugo Junkers blieb gar unerwähnt. Mehr als die Hälfte verbanden Martin Luther mit der Stadt Wittenberg und assoziierten vor allem Kirchen und Schlösser mit diesem Ort. Mit der Region Anhalt selbst konnte kaum jemand etwas anfangen.
Trotz des relativ hohen Bekanntheitsgrades der einzelnen Städte konnten sich nur 60 Unternehmen der befragten 1.000 vorstellen, sich in der hiesigen Region anzusiedeln. Gründe für das bestehende Desinteresse gingen fast ausschließlich darauf zurück, dass geschäftsbedingt keine weiteren Standorteröffnungen möglich seien beziehungsweise keine ausreichenden Informationen über die jeweiligen Regionen vorliegen würden. Die 60 Unternehmen, die einer Umsiedlung nicht abgeneigt wären, gaben eine gut ausgebaute Infrastruktur, Kostenersparnisse in Form geringerer Lohnkosten und Abgaben oder Kundennähe als interessante Standortfaktoren an. Wittenberg ging dabei aus der Befragung als Ansiedlungsfavorit hervor.
Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft will aus den Umfrageergebnissen Konsequenzen ziehen. So soll die Region Anhalt als Kulturregion mit hoher Lebensqualität in den Vordergrund gestellt und die Industrietradition als Subtext formuliert werden. Ob diese Schlüsse ausreichen werden, um aus dem Hochwassergebiet Dessau wieder die Bauhausstadt zu machen oder den Irrglauben um ein Atomlager in Bitterfeld aus den Köpfen Einzelner zu verbannen, bleibt abzuwarten. Die Region Anhalt soll künftig für Wirtschaftsunternehmen attraktiver gemacht werden. Eine Aufgabe, die größer zu sein scheint als zuerst angenommen.